Rückblick

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1. interdisziplinäre Podiumsdiskussion

Multiple Sklerose: Behinderungsprogression im Fokus


6. November 2014
Bericht zur ersten interdisziplinären Podiumsdiskussion über die Behinderungsprogression bei Multipler Sklerose aus der Reihe „Perspektive inklusive!“.

TEILNEHMER: Univ.-Prof. Dr. Barbara Bajer-Kornek, Universitäts- klinik für Neurologie, MedUni Wien; Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger, Universitätsklinik für Neurologie, MedUni Innsbruck; Univ.-Prof. Dr. Eckhard Beubler, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, MedUni Graz; Prof. Dr. Christoph Heesen, MS-Tagesklinik und Ambulanz, Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf; OA Dr. Gustav Kiss, Neuro-Urologische Ambulanz, MedUni Innsbruck; OA Dr. Herbert Kollross-Reisenbauer, Abteilung für Neurologie, Landesklinikum Hochegg; Univ.-Prof. Dr. Andreas Reitner, Neuro-Ophthalmologische Ambulanz, MedUni Wien; Prim. Univ.-Prof. Jeanette Strametz-Juranek, SKA-Rehabilitationszentrum der PVA, Bad Tatzmannsdorf

Welche Wünsche, Ängste, Sorgen und Anforderungen Multiple-Sklerose-Betroffene in unterschiedlichen Lebensphasen haben und wie betreuende Ärzte damit umgehen, stand im Mittelpunkt der von Merck Austria erstmals veranstalteten Podiumsdiskussion.Unter dem Titel „Perspektive inklusive! Behinderungsprogression im Fokus – Eine interdisziplinäre Reflexion“ näherten sich unterschiedliche Experten diesem Thema aus ihrer jeweiligen Fachrichtung an und bildeten den Auftakt für eine Serie von Veranstaltungen, die rund um die Erkrankung künftig regelmäßig stattfinden werden. [...]

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2014-11-06-vid-podium Highlights der Podiumsdiskussion
Eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit der Behinderungsprogression

2014-11-06-vid-heesen Vortrag Prof. Dr. Christoph Heesen
Leiter MS-Tagesklinik und Ambulanz; Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf

2014-11-06-vid-juranek Statement von:
Univ.-Prof. Dr. Janette Strametz-Juranek

2014-11-06-vid-kollross Statement von:
OA Dr. Herbert Kollross-Reisenbauer

2014-11-06-vid-reitner Statement von:
Univ.-Prof. Dr. Andreas Reitner

2014-11-06-vid-kies Statement von:
OA Dr. Gusztav Kiss

2014-11-06-vid-beubler Statement von:
Univ.-Prof. Dr. Eckhard Beubler

2014-11-06-vid-berger Statement von:
Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger

2014-11-06-vid-kornek Statement von:
Univ.-Prof. Dr. Barbara Bajer-Kornek

Statements aller TeilnehmerInnen der Podiumsdiskussion

Für den Aspekt der Progression ist die Verbesserung des Zustandes relevant. Was heißt jedoch Behinderungsprogression? Welche Beeinträchtigungen sind damit gemeint und welche Dynamik? Die Progression kann sich bei einem Patienten/einer Patientin ganz langsam über Jahre hinweg entwickeln. Kommt es etwa zu langsam fortschreitenden Mobilitätseinschränkungen, auf die sich ein Patient/ eine Patientin nach und nach einstellen kann, kann sein/ihr Alltagsleben trotzdem weiter funktionieren. Das ist etwas ganz anderes, als wenn ein Patient/eine Patientin von der Krankheit in einem Riesentempo überrollt wird [...] Wichtige Faktoren, die es zu beachten gilt, sind daher einerseits, wie schnell die Krankheit voranschreitet, andererseits die Mentalität eines Patienten/einer Patientin. In der Therapie müssen wir individualisiert vorgehen.


Prof. Dr. Christoph Heesen, MS-Tagesklinik und Ambulanz, Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, Deutschland

Krankheitsschübe verhindern und die Progression der Krankheit verlangsamen: Darauf zielt jede MS-Therapie ab. Kausale Therapien sollen vorbeugend wirken und symptomatische den Zustand des Patienten/der Patientin verbessern. Wenn wir Betroffenen helfen und ihre Lebensqualität verbessern wollen, müssen wir diese beiden Zielsetzungen zusammenführen [...] Auch das Betreuungs-Setting spielt eine wichtige Rolle. Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arzt/Ärztin und PatientIn wirkt sich jedenfalls positiv aus.


Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger, Universitätsklinik für Neurologie, MedUni Innsbruck

Behinderung ist nicht nur die physische Lähmung, sondern vor allem auch die emotionale Komponente, nicht mehr am sozialen Leben teilhaben zu können [...] Etwa 5 % aller von MS Betroffenen erleiden ihren ersten Schub vor dem 18. Geburtstag [...] Im Hinblick auf die Behinderungsprogression ist die langfristige Prognose für die jungen PatientInnen weniger günstig: Die Dauer vom ersten Schub bis zur bleibenden Behinderung ist zwar länger, aber sie sind um etwa 10 Jahre jünger, wenn sie EDSS-Meilensteine erreichen.


Univ.-Prof. Dr. Barbara Bajer-Kornek, Universitätsklinik für Neurologie, MedUni Wien

MS ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auch eine neurourologische Erkrankung [...] Mit der Progression der neurologischen Erkrankung beziehungsweise der neurologischen Symptome und der damit verbundenen Mobilitätseinschränkung kann auch die Blasenproblematik schwerwiegender werden. Dann kann schon die Inkontinenz oder der Restharn zu einem größeren Problem werden.


OA Dr. Gusztav Kiss, Neurourologische Ambulanz, MedUni Innsbruck

Multiple Sklerose ist aus pharmakologischer Sicht ein sehr diffuses Gebiet, weil die wirklichen Ursachen der Erkrankung nicht bestimmbar sind [...] Daher ist auch die Therapie rein symptomatisch [...] Um die Behinderungsprogression zu bekämpfen, gibt es keine einheitliche Methode, sondern man muss immer individuell vorgehen [...] Oft sind auch die Lebensumstände, zum Beispiel ein bestehender Kinderwunsch, entscheidend dafür, welche Therapie ausgewählt wird.


Univ.-Prof. Dr. Eckhard Beubler, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, MedUni Graz

Mit einer Magnetresonanztomografie kann man erkennen, ob auch andere Entzündungsherde im Gehirn vorliegen. Wenn ja, leidet der Patient/die Patientin an nicht nur einer Optikusneuritis, sondern hat auch ein deutlich höheres Risiko, an einer MS zu erkranken. Selbst wenn bei der MRT nichts Auffälliges gefunden wurde, besteht für PatientInnen ein Risiko von 25 %, in den nächsten 5 Jahren an MS zu erkranken.


Univ.-Prof. Dr. Andreas Reitner, Leiter der Neuroophthalmologischen Ambulanz, MedUni Wien

In den Köpfen der meisten Menschen wird MS leider immer damit gleichgesetzt, dass die Betroffenen an den Rollstuhl gefesselt sind. Zu den häufigsten Behinderungen, die mit MS einhergehen, zählen aber Kraftminderung, Gefühlsstörungen, Störungen der Koordination, urologische Probleme, Sehstörungen und Störungen der Sexualfunktion [...] MS ist gut behandelbar. Den meisten meiner MSPatientInnen würde man im Alltag nicht ansehen, dass sie an MS erkrankt sind.


OA Dr. Herbert Kollross-Reisenbauer, Abteilung für Neurologie, Landesklinikum Hochegg

Frauen bekommen nicht nur häufiger MS als Männer, sie leiden auch anders unter dieser Krankheit und brauchen daher besondere Formen der Unterstützung [...] Die Beschäftigung mit frauenspezifischen Aspekten der Krankheit darf sich nicht auf Forschung und Therapie beschränken, auch die psychosozialen Auswirkungen der Krankheit müssen berücksichtigt werden [...] Für behandelnde Ärzte und Ärztinnen ist es deshalb wichtig, auf geschlechterspezifische Aspekte Rücksicht zu nehmen und im Auge zu behalten, wie sich die Behinderungsprogression auf das soziale Umfeld von Patient und Patientin auswirkt.


Univ.-Prof. Dr. Janette Strametz-Juranek, Sonderkrankenanstalt Rehabilitationszentrum der PVA in Bad Tatzmannsdorf, Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für geschlechterspezifische Medizin (ÖGGSM)

Bericht zur ersten interdisziplinären Podiumsdiskussion
über die Behinderungsprogression bei Multipler Sklerose aus der Reihe „Perspektive inklusive!“

Welche Wünsche, Ängste, Sorgen und Anforderungen Multiple-Sklerose-Betroffene in unterschiedlichen Lebensphasen haben und wie betreuende Ärzte damit umgehen, stand im Mittelpunkt der von Merck Austria erstmals veranstalteten Podiumsdiskussion. Unter dem Titel „Perspektive inklusive! Behinderungsprogression im Fokus – Eine interdisziplinäre Reflexion“ näherten sich unterschiedliche Experten diesem Thema aus ihrer jeweiligen Fachrichtung an und bildeten den Auftakt für eine Serie von Veranstaltungen, die rund um die Erkrankung künftig regelmäßig stattfinden werden.

Einig waren sich alle Teilnehmer, dass aufgrund des chronischen Krankheitsverlaufs besonders die langfristige Betrachtung in die Therapieauswahl und -entscheidung mit einfließen muss. Die Behinderungsprogression steht vor allem für die Patienten im Mittelpunkt und wird in unterschiedlichen Altersgruppen, Lebensphasen und abhängig vom familiären Umfeld deutlich anders wahrgenommen. Ein wichtiger Ansatz ist es daher, die Erkrankung und ihre möglichen Auswirkungen zu entstigmatisieren, die Betroffenen entsprechend zu informieren und die möglichen Zukunftsperspektiven aufzuzeigen. Die Aussichten für die Patienten haben sich in den vergangenen Jahren dank moderner Arzneimittel, intensiver Verlaufskontrollen und der Aufklärung von Betroffenen und ihren Angehörigen deutlich verbessert. Wer heute die Diagnose MS bekommt, hat weitaus bessere Chancen, mit weniger Behinderung und höherer Lebensqualität leben zu können.

„HEILUNG“ – EIN INDIVIDUELLER ZUGANG

Prof. Dr. Christoph Heesen versteht sich selbst als Ganzheitsmediziner, und zwar im Sinne der ganzheitlichen Betrachtung von Patientenschicksalen. Und dieser Zugang erweist sich gerade bei Patienten mit MS als besonders wichtig, denn, so weiß der Experte: „Das Bedürfnis nach „Heilung“ steht fast immer an oberster Stelle und das Thema müssen wir adressieren. Gleichzeitig können die behandelnden Ärzte mit den Betroffenen die Perspektiven dieser erwünschten „Heilung“ abgrenzen und neue Wege aufzeigen. Für viele ist mit „Heilung“ die Abwesenheit von Krankheit gemeint, aber auch das Fehlen von Schüben oder die Wiedererlangung der Mobilität gerade wegen der Nutzung des Rollstuhls.“ Der Journalist Sven Böttcher bringt in seiner Geschichte „MS für Anfänger, die keine Fortgeschrittenen werden wollen“ diese Patientensicht sehr deutlich auf den Punkt. Auf die Frage, ob MS unheilbar ist, antwortet er klar mit „Nein“ – entgegen allen medizinischen Erklärungen. Seine Argumente spiegeln wider, was Heesen tagtäglich mit seinen Patienten erlebt: die Individualität. Manche landen früher oder später im Rollstuhl, aber nicht alle empfinden diese Entwicklung als „dämonisierend“ und „unheilbar“. Gesundheit wird nicht von den Experten definiert, sondern vom individuellen Patienten, seinen Anforderungen und Bedürfnissen. „Das ist personalisierte Medizin im wahrsten Sinne des Wortes“, stellt Heesen fest und transferiert diese Erkenntnisse in die Welt von MS-Erkrankten: „Wir müssen die mentale Grundhaltung der Patienten kennenlernen und mit ihnen daran arbeiten, wie sie die Unsicherheiten wahrnehmen, die MS zwangsläufig mit sich bringt.“ Auch Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger bestärkt diese These: „Wir stehen vor einem konzeptuellen Problem. Mediziner versuchen, ein System für MS-Patienten zu konstruieren, und müssen aber auf das Individuum abgestimmt handeln. Ich plädiere dringend dafür, sich als behandelnder Arzt auf die jeweilige Situation des Patienten in seinem Stadium der Erkrankung einzulassen.“

PATIENTENAUFKLÄRUNG IN DER PRAXIS

Praktische Erfahrungen bringt dazu Dr. Herbert Kollross-Reisenbauer in die Diskussion ein: „Ich bin oft an vorderster Front, wenn die Diagnose MS erstmals gestellt wird. Die Herausforderung ist groß, den Patienten dort abzuholen, wo er steht. Der Wissensstand ist unterschiedlich, die Verunsicherung naturgemäß groß. Das ändert sich im Laufe der Zeit. Vor allem ist die Adaption in jeder Phase des Erkrankungszeitpunktes für mich eine große Herausforderung.“ Auch Geschlechterunterschiede im Hinblick auf Gesundheit und Krankheit sind aus der Literatur hinreichend bekannt. In der Praxis wird darauf meist noch zu wenig eingegangen. „Wir wissen, dass Männer und Frauen mit Behinderung völlig anders umgehen und unterschiedliche Unterstützung im familiären Umfeld annehmen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Jeanette Strametz-Juranek. Sind die Patienten im Kinder- und Jugendalter, so stehen die Mediziner vor noch größeren Herausforderungen, denn sie haben mehrere Ansprechpartner, die völlig andere Sorgen und Ängste mitbringen, auf die es aber alle einzugehen gilt. „Jugendliche haben völlig andere Fragen im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung als Erwachsene. Sie planen weit weniger in die Zukunft und haben viele Fragen zum gegenwärtigen Alltag“, berichtet Univ.-Prof. Dr. Barbara Bajer-Kornek aus ihrer Erfahrung.

ENTFALTUNGSMÖGLICHKEITEN AUFZEIGEN, BEDÜRFNISSE ADRESSIEREN

Ist die Progressionsverhinderung das vorrangige Behandlungsziel, so nimmt das Arzt-Patienten-Team einen defizitorientierten Blickwinkel ein. Das Thema ist oft nur retrospektiv zu erheben und in vielen Beeinträchtigungsdimensionen schwer zu fassen. „Hier mischen immer Bewältigungsstrategien mit, zum Beispiel welche Gehstrecken wollen bewältigt werden und geht das besser mit als ohne Rollstuhl?“ Ein sinnvolles Behandlungsziel aus Sicht von Heesen wäre, die Erweiterung der Entfaltungsmöglichkeiten und die Adaptationsfähigkeit zu fördern. „Dazu braucht es auf Arzt- und Patientenseite aber das entsprechende Wissen, die Selbstreflexion, das Können, die passenden Medikamente und die Fähigkeit, über das Thema zu kommunizieren“, ist der Experte überzeugt. Und er geht noch einen Schritt weiter: „Mediziner müssen die Patienten- präferenzen kennen, andernfalls kommt es zu stillen Fehldiagnosen. Die beste medikamentöse Therapie ist nur eine Option, die aber nicht immer vom Patienten auch die vorrangig gewünschte sein muss.“

Eine von Heesen durchgeführte Umfrage aus dem Jahr 2004 zeigt deutlich, dass sich Patienten die Behandlung von Gangproblemen, das Wissen zur Interpretation von Magnetresonanzbildern und über Möglichkeiten der Physiotherapie wünschen. „Wir haben Patienten befragt, wie wichtig ihnen welche körperlichen Funktionen sind. Gehen zu können war dabei zwar sehr wichtig, aber die Kognition und das Sehen hatten einen ähnlich hohen Stellenwert. Darum haben sich die Studien bislang jedoch sträflich wenig gekümmert. Wenn Progression nur bedeutet, dass vor allem die Mobilität erfasst wird, wird man den Wünschen der Patienten nicht gerecht. Patienten zu befragen, was ihnen wichtig ist und worum wir uns in erster Linie kümmern sollten, ist aber nur dann sinnvoll, wenn sie einen guten Informationsstand haben. Patienteninformation hilft uns daher auch dabei, eine gute Studienkondition zu entwickeln, weil Patienten, die gut über ihre Krankheit informiert sind, anders darüber reflektieren können“, fasst Heesen die Ergebnisse zusammen.

WAS PATIENTEN WÜNSCHEN UND MEDIZINER WOLLEN

Eine von MS-Forschern publizierte Studie zur Risikobewertung hat untersucht, welches Risiko zu welchem Preis und welchem Nutzen Patienten zu verhandeln bereit sind. „Wenn einer von 100 Betroffenen bei der Behandlung mit schweren Nebenwirkungen rechnen muss, so würden die Befragten das Risiko in Kauf nehmen, wenn es eine substanzielle Verbesserung der Symptome gäbe“, gibt Heesen Einblick in die Forschung. Noch deutlicher macht es eine Studie, die Wünsche der Patienten und jene der Ärzte im Behandlungsprozess gegenüberstellt: Während Patienten das intakte Sehvermögen an oberste Stelle ihrer Priorität reihen, setzen Mediziner auf die Gehfähigkeit.

Im Rahmen der REPABO (Responsiveness and Predictive Value of Patient-based Outcome)-Studie (Abb.) wurden Langzeitdaten zu den körperlichen Aktivitäten und Fähigkeiten von MS-Patienten erhoben. Sie machen einerseits die Heterogenität der Erkrankung besonders deutlich, aber auch die Bewertungsdifferenzen von Ärzten und Patienten: Während den Betroffenen die Erhaltung von Fähigkeiten wie Sprechen, Schlucken oder Sehen besonders wichtig waren, stellten Ärzte das Gehen, die Kraft und Koordination in den Händen oder das Körpergefühl und die Müdigkeit in den Mittelpunkt.

BIOPSYCHOSOZIALES NETZWERK ZUM MS-MANAGEMENT

Für ein effizientes MS-Management hat sich nach Ansicht Heesens das biopsychosoziale Modell als praxistauglich erwiesen.* Diese Theorie der Körper-Seele-Einheit ermöglicht erstmals ein wissenschaftlich begründetes ganzheitliches Verständnis von Krankheit bzw. Gesundheit. Krankheit stellt sich dann ein, wenn der Organismus die autoregulative Kompetenz zur Bewältigung von auftretenden Störungen nicht ausreichend zur Verfügung stellen kann und relevante Regelkreise für die Funktionstüchtigkeit des Individuums überfordert sind bzw. ausfallen. Weniger relevant ist, wo eine Störung generiert wird, sondern welchen Schaden sie auf den Systemebenen bewirkt. „Während in dem Modell zum Zentralnervensystem, dem Immunsystem oder den Köperfunktionen bei MS gute Evidenz zu den Coping-Strategien vorhanden ist, fehlt sie in den Bereichen von Geist und Seele derzeit noch“, ergänzt Heesen.